Müde, ausgelaugt & nicht du selbst: Postpartale Erschöpfung
Allgegenwärtige Müdigkeit
Kommt dir diese unbeschreiblich große Müdigkeit als Mama bekannt vor? Also wirklich große Müdigkeit… Unendlich. Riesig. Müüüde. Du könntest jederzeit sofort, auf der Stelle einschlafen. Am besten wäre ein ausgedehnter Winterschlaf. Du kannst dich noch dunkel daran erinnern, wie es sich anfühlt, alleine im warmen, gemütlichen Bett zu liegen. Die Bettdecke bis zu den Ohren. But wait… da ist ja jetzt dieses Baby. Ein kleiner Mensch, der dich braucht und der manchmal so ganz und gar nicht müde ist.
Ich kann dir – nicht nur – aus eigener Erfahrung sagen, dass du mit all dem nicht alleine bist. An die ersten Monate nach der Geburt meines ersten Kindes kann ich mich gleichzeitig sehr gut und dabei kaum detailliert erinnern. Sehr wohl weiß ich aber, dass ich so wahnsinnig müde war, dass es gefühlt um kaum etwas anderes mehr ging, als um das Thema Schlaf, den ich kaum mehr kannte. Ich war so müde, dass ich mich oft einfach tagsüber im Kinderzimmer auf den Boden gelegt habe. Erschöpfung deluxe.
Bedürfnisse von Mutter und Kind
Auch du fühlst dich gerade müde und erschöpft, kannst kaum deine Augen offen halten? Ausgelaugt, ausgesaugt vielleicht sogar. Und mit diesem Gefühl liegst du gar nicht so falsch. Denn dein Baby ist höchstwahrscheinlich mit allem bestens versorgt, hat alle Vitamine und Mineralstoffe, die es für seine Entwicklung braucht. Schon während der Schwangerschaft hat dein Körper großartiges geleistet und dein Baby über die Plazenta mit allerlei lebensnotwendigen Dingen versorgt. Zur Not passiert das eben auch auf Kosten der Mutter, der die entzogenen Nährstoffe dann unter Umständen fehlen. Wenn du dein Baby stillst, setzt sich diese, von der Natur absolut faszinierend eingerichtete Versorgung durch die Muttermilch fort. Aber auch durch den veränderten Schlafrhythmus, Schlafmangel, Unsicherheit, Sorgen, Stress oder mangelhafte Ernährung können solche Erschöpfungszustände entstehen.
Jetzt ist eines besonders wichtig, nämlich: Du! Denn nur, wenn es dir als Mensch gut geht, kannst du dich als Mutter auch gut um dein Kind kümmern. Das heißt natürlich nicht, dass du dein Kind ab sofort völlig vernachlässigen und dich ausschließlich um dich selbst kümmern sollst. Aber es ist wichtig, dass du nicht nur die Bedürfnisse deines Kindes wahrnimmst, sondern auch deine eigenen. Dabei soll es nicht so sein, dass du das Gefühl von noch mehr Aufgaben hast, denn die Erfüllung auch deiner Bedürfnisse ist in Wahrheit kein lästiges oder zeitraubendes Übel, sondern lebensnotwendig. Das Leben darf sich leicht anfühlen, auch als Mutter bzw. Familie. Und das ist eher der Fall, wenn (manchmal auch durch Kompromisse) für ALLE gut gesorgt ist.
Wohlbefinden & Selbstfürsorge
Solltest du dich also seit der Geburt deines Kindes, sogar wenn sie vielleicht schon einige Monate bzw. Jahre (!) zurückliegt, ausgelaugt, erschöpft und nicht mehr wie du selbst fühlen, dann zeigt dir dein Körper dadurch möglicherweise einen Mangel bzw. ein Zu-wenig-von-etwas an. Neben dem wahrscheinlich sehr offensichtlichen Schlafmangel kann das aber eben zum Beispiel auch ein Nährstoffmangel sein. Deshalb könnte es in diesem Zustand eine Idee sein, deine Blutwerte prüfen zu lassen, um festzustellen, ob dein Körper im Moment nicht ganz optimal mit wichtigen Vitaminen oder Mineralstoffen versorgt ist. Denn dann könnte eine vorübergehende Supplementierung der entsprechenden Nährstoffe – am besten auf pflanzlicher bzw. natürlicher Basis, wegen der besseren Verwertbarkeit für den Körper – dafür sorgen, dass du dich bald wieder besser fühlst. Möglicherweise kannst du dich auch mit neuen Essgewohnheiten anfreunden. Oder vielleicht findest du mit deiner Familie zu ein paar neuen Gewohnheiten in eurem Alltag, die möglichst jedem von euch gerecht werden und bei denen jeder mal die Möglichkeit hast, seine Bedürfnisse zu stillen.
Wochenbett und Familie als Herausforderung
Leider ist die Annahme, als junge Mutter bzw. Familie alles alleine schaffen zu müssen, gerade in der westlichen Welt, sehr weit verbreitet. Oft ist jedoch auch einfach die räumliche Nähe zu den Herkunftsfamilien nicht mehr gegeben, oder die Großeltern deines Kindes sind selbst noch berufstätig und dadurch wenig verfügbar. Das Abenteuer „eigene Familie“ gleicht also meist eher einer schier unlösbaren Herausforderung, als dem freudig wagemutigen Aufbruch in unbekanntes Terrain. Somit scheint es also erstmal gar nicht so einfach, die Mangelzustände an Schlaf, gesundem & in Ruhe genossenem Essen, Zeit für sich selbst etc. auszugleichen. Glücklicherweise gibt es aber mittlerweile zahlreiche Angebote, die die fehlende oder nicht ausreichende familiäre Unterstützung zumindest ansatzweise ausgleichen können. Neben den so wertvollen Hebammen gibt es zunehmend mehr Unterstützungsangebote durch Doulas, Mütterpflegerinnen, Familienbegleiterinnen, Leihomas/-opas und ehrenamtliche Helfer, die zum Beispiel über Programme wie Frühe Hilfen vermittelt werden. Auch über Frauen- und Familienzentren kann in solchen Fällen oft Hilfe gefunden werden. Der erste Schritt dazu ist aber erstmal, um Hilfe zu bitten und Hilfe anzunehmen.
Trau dich, auch (noch) kinderlose Freunde um Unterstützung zu bitten, auch in Bezug auf die kurzweilige Betreuung deines Babys, damit du beispielsweise einfach mal in Ruhe duschen kannst. So können sich auch zukünftige Eltern schon mal „ausprobieren“ und erleben, wie es ist, ein Kind zu umsorgen. Es ist an der Zeit, dass Familien, Kinder, Babys, ältere Menschen, wirklich alle Menschen in der Mitte unserer Gesellschaft akzeptiert werden. Wir sind alle Bewohner dieser Erde, egal wie alt. Wir wurden alle geboren, wir werden alle sterben und in dem Zeitraum dazwischen sollten wir uns gut um uns (selbst) kümmern und achtsam und wertschätzend miteinander umgehen.
Für den Moment wünsche ich mir für uns alle sehr, dass sich wieder mehr Langsamkeit, mehr fühlen, mehr wahrnehmen, mehr liebevoller Umgang einstellt und eine Wochenbettkultur, die dieser so besonderen Anfangszeit von Familie gerecht wird.